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Straßenaktion, 1973

Straßenaktion, 1973

Rettung vor dem Abriss

Wie der Abbruch des Hauses verhindert wurde

Das Haus Haynstr. 1-3/Hegestr. 41 stand Anfang der 1970er Jahre vor dem Abbruch. Es sollte einem Neubau mit Eigentumswohnungen weichen. Die Bewohner konnten die geplante Zerstörung verhindern. In Hamburg gelang so etwas nicht oft. Was waren die Gründe für den Erfolg der Mieter?

Hausversammlung 1978

Es war in den 1960er und 1970er Jahren in Hamburg weit verbreitete Praxis, alte Mietshäuser abzureißen, gleichgültig in welchem Erhaltungszustand sie sich befanden. Ursache war die Mietpreisbindung, die noch bis 1976 galt. In Altbauten durfte nur eine geringe Miete genommen werden, damit sollten sie für die breiten Schichten der Bevölkerung erschwinglich bleiben. Das war ein Eingriff in den Markt, der den Politikern schwerfiel, aber die Wohnungsnot der Nachkriegsjahre hatte sie dazu gezwungen, und in Hamburg herrschte noch lange Mangel an bezahlbarem Wohnraum.

Den Eigentümern war aber ein Schlupfloch gelassen, um trotzdem Profit zu machen: Sie konnten alte Häuser abreißen und die Grundstücke neu bebauen. Für Neubauten gab es keine Mietpreisbindung. Und so wurde abgerissen, am liebsten an den Straßenecken, wo sich Architekten besonders gern betätigen. Häuser an Straßenecken lassen sich nämlich schöner und üppiger gestalten als Häuser, die in einer Zeile stehen und deren Grundstücke dank neuer Bauvorschriften nicht mehr so vollgestellt werden dürfen wie früher. Heute kann man in Eppendorf und benachbarten Stadtteilen die Spuren dieser Praxis studieren: Vielfach sind es die Ecken, die neu bebaut sind, und es handelt sich dabei nicht um die Füllung von Lücken, sondern es wurden zu diesem Zweck erstmal die dort befindlichen alten Häuser abgerissen.

Mit Abbruchgenehmigungen waren die Behörden meist schnell zur Hand, wer wollte den bauwilligen Investoren Schwierigkeiten machen? Es dämmerte der Politik jedoch, dass da etwas schlieflief und keineswegs die Wohnungen entstanden, die gebraucht wurden, sondern Luxusappartements oder gar Büros. Man korrigierte sich. Die sozialliberale Koalition (Brandt/Scheel), 1969 ans Ruder gekommen, sorgte dafür, dass ein Gesetz zur Verbesserung des Mietrechts auf den Weg kam, aus dem u.a. in Hamburg 1972 die sog. Zweckentfremdungsverordnung abgeleitet wurde. Danach waren Abbruchgenehmigungen an gewisse Bedingungen geknüpft. Der Hauseigentümer musste nachweisen, dass er Gründe für den Abbruch habe. Der Wunsch nach höherer Miete allein genügte nicht, und leer stehen lassen war auch nicht mehr erlaubt.

Diese gesetzlichen Verbesserungen hatten keine Wirkung, wo der Staat selbst Mittäter beim Abbruch war, etwa im Frankfurter Westend; dort wurde in dieser Zeit ein ganzes Stadtviertel planiert, um Platz für Bürogebäude zu schaffen – was die Politik begrüßte. Anders lag der Fall jedoch, wenn es um einzelne Häuser ging, die Privatleuten gehörten. Dann ließ sich das gesetzliche Instrumentarium nutzen, um Eigentümer von ihren Plänen abzubringen. So ein Fall war das Haus Haynstr. 1-3/Hegestr. 41.

Es kamen noch weitere günstige Umstände hinzu, die bei der Rettung des alten Mietshauses mitspielten:

1. Das Haus war in seiner Art ein Prachtstück, an einem weiten, gut einsehbaren Platz gelegen, es hob sich architektonisch sogar noch ein Stück von den gleichfalls hochwertigen Häusern der Nachbarschaft ab.

2. Das Haus war trotz Vernachlässigung noch in gutem Zustand, kein bisschen baufällig.

3. Die Baufirma, die das Haus gekauft hatte und es abreißen wollte, befand sich im Clinch mit den Behörden, ihre Neubaupläne waren noch nicht genehmigt. Sie focht darüber hinaus die Gültigkeit der Zweckentfremdungsverordnung an. Sie unternahm auch keine Versuche, die Behörden oder die Öffentlichkeit für ihre Ziele zu gewinnen.

4. Die Bewohner hatten Mietverträge, zwar nach Ansicht des Eigentümers nur solche von minderer Qualität, die jederzeit gekündigt werden konnten, aber es waren Mietverträge. Als Besetzer konnte man die Bewohner nie bezeichnen, damit war schon mal nicht möglich, sie zu kriminalisieren, und die Bewohner konnten sich martialisches Auftreten, den Bau von Barrikaden, eine Befestigung des Hauses u.ä. ersparen. Die Bevölkerung, soweit sie sich äußerte, stand dann auch auf Seiten der Bewohner. Niemand sprach sich für deren Vertreibung aus.

5. Die Bewohner, durchweg Studenten, sozial und altersmäßig eine homogene Gruppe, hatten sich zu einer Kampfgemeinschaft zusammengeschlossen, die hoch motiviert war. Sie hatte sich nicht erst ad hoc bilden müssen, wie es vielfach in anderen bedrohten Häusern geschah, sondern war über Jahre gewachsen, seit die ersten Studenten 1970 ins Haus gezogen waren. Jeder im Haus wusste, dass es sich um ein Wohnen unter besonderen Bedingungen handelte. Die Gemeinschaft eröffnete dann auch 1973 von sich aus den Kampf um den Erhalt des Hauses und wartete nicht, bis die Kündigungen ins Haus flatterten.

Flugzeugaktion „Haynstrasse bleibt“

Die Bewohner führten den Kampf von Anfang an sowohl auf juristischer wie auf politischer Ebene, in Form einer Mobilisierungskampagne mit Offenen Briefen, Transparenten und Schaukästen am Haus, Flugblattverteilungen im Viertel, Infoständen auf der Straße und Informationsveranstaltungen.

Der Eigentümer reagierte sehr spät, und seine einzige Reaktion war die Kündigung des Mietverhältnisses. Als die Bewohner sich weigerten auszuziehen, reichte er Räumungsklage ein. Diese wurde vom Amtsgericht abgewiesen mit der Begründung, dass es sich bei dem Mietverhältnis in der Haynstr. 1-3/Hegestr. 41, anders als der Kläger meinte, um ein ganz gewöhnliches handelte, das nicht aus freier Hand nach Belieben des Eigentümers beendet werden dürfe. In der zweiten Instanz kam dann die Zweckentfremdungsverordnung zum Tragen: Das Gericht bestätigte ihre Gültigkeit. Es befand, dass kein Grund für den geplanten Abbruch des Hauses vorlag, und wies die Klage endgültig ab.

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